Roboter nimmt Hirntumor ins Fadenkreuz
Steiermarkpremiere: Im Rahmen einer Hirnbiopsie kam vor Kurzem am LKH-Univ. Klinikum Graz der âAutoguideâ erstmals zum Einsatz. Dieser Roboter unterstĂŒtzt die Chirurg*innen der Univ.-Klinik fĂŒr Neurochirurgie ab sofort dabei, auffĂ€llig verĂ€ndertes Hirngewebe prĂ€zise und millimetergenau anzusteuern, um eine Probe davon entnehmen zu können. Im Zuge von wissenschaftlichen und klinischen Studien soll der Roboter auch weiterentwickelt und so fĂŒr andere Eingriffe fit gemacht werden â zum Beispiel fĂŒr die Behandlung eines Hirnwasseraufstaus.
Dass ein Roboter einem OP-Team assistiert, ist heutzutage zwar keine Seltenheit mehr, selbstverstĂ€ndlich ist es dennoch nicht. Umso gröĂer ist die Begeisterung am LKH-Univ. Klinikum Graz und an der Med Uni Graz, dass spezielle neurochirurgische Eingriffe nun auch robotergestĂŒtzt durchgefĂŒhrt werden können. Zu verdanken ist das Univ.-Prof. Dr. Stefan Wolfsberger, der seit MĂ€rz Vorstand der Univ.-Klinik fĂŒr Neurochirurgie ist und den âAutoguideâ gewissermaĂen als Einstandsgeschenk mitgebracht hat. Wie gut der Roboter dem OP-Team zur Hand gehen kann, zeigte der Neurochirurg kĂŒrzlich im Rahmen einer Hirnbiopsie, bei der einem Ă€lteren Patienten eine Gewebeprobe entnommen wurde.
âBei dem Patienten wurde vor einigen Jahren bereits ein Hirntumor entfernt und anschlieĂend eine Bestrahlung durchgefĂŒhrt. Nun war bei den Verlaufskontrollen erneut eine VerĂ€nderung tief im Gehirn aufgetreten. Wir haben daher im neuroonkologischen Tumorboard beschlossen, eine Probe davon zu entnehmen, um zu wissen, ob der Tumor tatsĂ€chlich zurĂŒckgekehrt istâ, beschreibt Wolfsberger die Ausgangssituation, die die Biopsie zur Folge hatte.
Besonders herausfordernd sei gewesen, dass die betroffene Stelle nur knapp einen Zentimeter groĂ war, so der Neurochirurg weiter. Ergo war der âAutoguideâ der perfekte Partner, um vom Gewebe eine Probe zu entnehmen. Denn die PrĂ€zision, mit der dank des Roboters gearbeitet werden kann, ist frei Hand nahezu unmöglich. Der anvisierte Punkt wird vor der OP millimetergenau bestimmt und wĂ€hrend des Eingriffs im wahrsten Sinne des Wortes ins Fadenkreuz genommen â gut erkennbar auf dem eingespielten Magnetresonanztomographie-Bild. Switched das Kreuz von Rot auf GrĂŒn, kann eine HĂŒlse punktgenau platziert werden, durch die mithilfe einer Nadel dann die Probe entnommen wird. Bei der anschlieĂenden molekularpathologischen Untersuchung stellt sich dann heraus, ob es sich um einen Tumor handelt bzw. in der Folge, mit welcher Tumorart man es zu tun hat. GĂ€nzlich starr ist das System dennoch nicht, denn durch einen Joystick hat die/der Chirurg*in die Möglichkeit, die Position der HĂŒlse fein zu justieren. Ganz dem Wesen eines Chirurgieroboter entsprechend, blendet der Autoguide selbstverstĂ€ndlich auch alle Zitterbewegungen aus.
An der Univ.-Klinik fĂŒr Neurochirurgie des LKH-Univ. Klinikum Graz werden jĂ€hrlich etwa 350 Hirntumore operiert, davon 50 Biopsien von auffĂ€lligem Hirngewebe durchgefĂŒhrt. Durch den Autoguide werden die Zahlen voraussichtlich steigen. GrundsĂ€tzlich zĂ€hlen Hirntumore â gutartige wie bösartige â zu den seltenen Erkrankungen. Laut WHO werden mehr als 150 Arten unterschieden. In Ăsterreich gibt es derzeit etwa 4.000 Patient*innen mit bösartigen Hirntumoren.
Kleinere Ăffnung und verkĂŒrzte Eingriffszeit
Ein weiterer groĂer Vorteil des Roboters: Die Biopsie kann ĂŒber ein nur drei Millimeter kleines Bohrloch erfolgen. âFĂŒr die vielfach gĂ€ngige Freihandentnahme der Gewebeprobe â der sogenannten offenen Biopsie â muss der SchĂ€del hingegen ĂŒber einen knöchernen Deckel von etwa zwei Zentimetern Durchmesser geöffnet werdenâ, erklĂ€rt der Klinikvorstand. Und da das Setzen eines kleinen Bohrlochs ungleich schneller vonstattengeht als die Ăffnung der SchĂ€deldecke, verkĂŒrzt sich auch die Eingriffszeit von etwa eineinhalb Stunden auf unter 15 Minuten. Das wiederum verringert die Belastung fĂŒr die Patient*innen massiv.
Gut 50 Hirnbiopsien werden am Uniklinikum jĂ€hrlich durchgefĂŒhrt, wobei sich die Zahl durch den Autoguide sicher erhöhen wird. Sehr hĂ€ufig entdecken die Neurochirurg*innen dabei leider bösartige Tumore. Umso glĂŒcklicher zeigte sich der Klinikvorstand, dass dies nach der Grazpremiere des Autoguides nicht der Fall war: âDas auffĂ€llige Gewebe entpuppte sich als unproblematische VerĂ€nderung, die durch die Strahlentherapie entstanden war. Der Patient braucht daher keine weitere Therapie, sondern muss lediglich regelmĂ€Ăig zur Kontrolle kommen.â
Fit fĂŒr weitere EinsĂ€tze
Im Rahmen von klinischen und wissenschaftlichen Studien soll der Roboter kĂŒnftig an der Grazer Neurochirurgie auch weiterentwickelt und fit fĂŒr weitere Eingriffe gemacht werden. Als konkretes Beispiel dafĂŒr nennt Wolfsberger die Punktion einer Hirnkammer, um den Fluss des Hirnwassers wiederherstellen zu können. Dieser ist beispielsweise massiv gestört, wenn man an einem Hydrozephalus (âWasserkopfâ) leidet. Im Idealfall kann durch die Punktion die Implantation eines Shunts vermieden werden, der das ĂŒberschĂŒssige Hirnwasser ableitet.
Wann ein derartiger Eingriff an der Grazer Neurochirurgie möglich sein wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Fest steht, dass der Autoguide ab sofort fixes Mitglied des OP-Teams bei Hirnbiopsien ist. Den betreffenden Patient*innen bleibt zu wĂŒnschen, dass die Eingriffe derart positive Nachrichten zur Folge haben wie jener bei der Premiere des Roboters.
Univ.-Prof. Dr. Stefan Wolfsberger leitet seit 1. MĂ€rz 2022 die Univ.-Klinik fĂŒr Neurochirurgie am LKH-UniversitĂ€tsklinikum Graz. Der gebĂŒrtige Wiener ist Experte fĂŒr minimalinvasive SchĂ€delbasischirurgie und miniaturisierte Robotik sowie fĂŒr Technologien zur Echtzeitgewebediagnostik. Die Entwicklung des Autoguide hat er gemeinsam mit dem âAustrian Center for Medical Innovation (ACMIT)â in Wiener Neustadt und der Firma âInterventional Systemsâ aus Wattens bereits 2013 in Angriff genommen, im JĂ€nner 2021 wurde der Chirurgieroboter erstmals weltweit prĂ€sentiert.
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