Onkologie: Fokus Lunge

Studium & Forschung

Wissenschafter*innen der Med Uni Graz haben den Selbstschutz von Tumorzellen im Bronchialkarzinom entschlĂŒsselt.

Durchbrechung der Schutzbarriere als Therapiechance

Lungenkrebs ist weltweit die hĂ€ufigste Ursache fĂŒr krebsbedingte TodesfĂ€lle. Wissenschafter*innen an der Med Uni Graz haben nun mit internationalen Kolleg*innen untersucht, wie es die aggressiven Tumorzellen in der Lunge schaffen, sich so rasch zu vermehren und welcher genetische Schutzmechanismus sie dabei unterstĂŒtzt. In der Durchbrechung dieses natĂŒrlichen Schutzes sehen die Forscher*innen eine neue Möglichkeit der Therapie dieser gefĂ€hrlichen Krebserkrankung. Die Forschungsergebnisse wurden kĂŒrzlich im renommierten Journal "Nature Communications" veröffentlicht.

Lungenkrebs: Molekulare ZellvorgÀnge im Forschungsvisier

Das Bronchialkarzinom – die bösartige Krebserkrankung der Lunge – kann sich in allen Abschnitten der Lunge entwickeln und ist weltweit die hĂ€ufigste Ursache fĂŒr krebsbedingte TodesfĂ€lle. Die Tumorzellen entstehen aus dem Lungengewebe selbst, in den meisten FĂ€llen aus den Zellen der LungenblĂ€schen bzw. den Zellen, welche die Bronchien auskleiden. „In der Wissenschaft ist zwar bereits viel ĂŒber molekulare VorgĂ€nge innerhalb der Tumorzellen bekannt, oftmals ist aber die Auswirkung dieser VorgĂ€nge auf die Entwicklung des Tumors nicht vollstĂ€ndig erforscht“, beschreibt Philipp Jost, Vorstand der klinischen Abteilung fĂŒr Onkologie, Med Uni Graz, den Stand der Wissenschaft. Im Sinne einer molekularen Onkologie haben Philipp Jost und seine Kolleg*innen untersucht, welchen Effekt eine bestimmte molekulare AusprĂ€gung auf das Wachstum von Tumorzellen hat und sehen darin eine große Chance fĂŒr die zukĂŒnftige Therapie des Bronchialkarzinoms.

Entdeckung: Tumorzellen schĂŒtzen sich mittels Änderung im Erbgut

In der Wissenschaft ist schon lĂ€nger bekannt, dass sich am Chromosom 1 – dieses beinhaltet ungefĂ€hr 8% der gesamten DNA der menschlichen Zelle – innerhalb von Zellen eines Lungentumors ein StĂŒck des Chromosoms vermehrt. Diese Vermehrung geschieht unterschiedlich oft. "Bis jetzt war völlig unklar, welchen Effekt diese Vermehrung eines Teils des Chromosoms hat bzw. wie der Tumor von diesem Effekt beeinflusst wird", erklĂ€rt Philipp Jost. Die KlĂ€rung dieser Frage haben sich Philipp Jost und seine internationalen Kolleg*innen zum Forschungsziel gemacht. DafĂŒr haben die Wissenschafter*innen rund 300 Gene identifiziert, die sich auf diesem StĂŒck des Chromosoms befinden und mit dem Gen "MCL1" jenes gefunden, welches essentiell fĂŒr das Überleben von Zellen ist. Das MCL1 Gen ist ein Protein, welches das Überleben von Tumorzellen verbessert und die Tumorzelle vor den extremen Bedingungen schĂŒtzt, denen sie, bedingt durch das schnelle Wachstum, ausgesetzt ist. "Wir konnten feststellen, dass je hĂ€ufiger das MCL1 Gen innerhalb des Chromosoms 1 vorhanden war, desto besser waren die Tumorzellen geschĂŒtzt und somit das Überleben der Tumorzellen", fasst Philipp Jost zusammen.

Wissen ĂŒber Evolution von Tumorzellen könnte neue Therapiechancen eröffnen

Im nĂ€chsten Schritt haben sich die Forscher*innen im Labormodell angeschaut, ob man das MCL1 Gen aus dem Chromosom entfernen kann, oder ob vielleicht eine Kombination aus verschiedenen Genen fĂŒr den Schutz von Tumorzellen verantwortlich ist. Dabei identifizierten die Wissenschafter*innen die Evolution der Tumorzellen und untersuchten dabei das p53 Protein. Dieses Protein ist ein Tumorsuppressor und damit eine Kontrollinstanz fĂŒr das Wachstum von Tumorzellen. Hier entdeckten die Forscher*innen, dass Tumorzellen dann aggressiv werden, wenn sie p53 verlieren. Dies setzt die Zelle jedoch unter Stress, sodass sie einen Schutz braucht, um so aggressiv bleiben zu können. Hier bedient sie sich dann dem MCL1 Gen und dieses wird in der Zelle stark vermehrt. "Durch diese Vermehrung kann die aggressive Zelle weiterwachsen und bleibt resistent gegen bekannte Therapieformen des Bronchialkarzinoms", erklĂ€rt Philipp Jost. Dieses neue Wissen um die genetische VerĂ€nderung innerhalb der Zellen des Lungentumors soll in weiterer Folge den Weg zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten ebnen und wird Gegenstand weiterer Forschungsprojekte sein.

Gut vernetzt: Standort Graz punktet durch InterdisziplinaritÀt

"Hier sind wir am Standort Graz mit der Medizinischen UniversitĂ€t Graz und dem LKH-UniversitĂ€tsklinikum Graz wissenschaftlich sehr gut aufgestellt, da wir direkt von den Patient*innen lernen können und dieses Wissen dann wiederum den Patient*innen zu Gute kommt. Eine explorative Wissenschaft gemeinsam mit den Einrichtungen der Medizinischen UniversitĂ€t Graz rund um das Zentrum fĂŒr Medizinische Forschung, das Diagnostik- und Forschungsinstitut fĂŒr Pathologie sowie die Vernetzung im UniversitĂ€ren Comprehensive Cancer Center und dem Ziel der weiteren Erforschung molekularer VorgĂ€nge in Tumoren sind zukĂŒnftig der Weg fĂŒr personalisierte Krebstherapien", blickt Jost in die Zukunft.

Steckbrief: Univ.-Prof. Dr. Philipp Jost

Philipp Jost ist UniversitĂ€tsprofessor fĂŒr das Fach "Onkologie" an der Medizinischen UniversitĂ€t Graz und Mitglied des Vorstandes des UniversitĂ€ren Comprehensive Cancer Centers Graz, einer gemeinsamen Einrichtung von Med Uni Graz und KAGes. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der molekularen Tumortherapie und dem Bronchialkarzinom.

Kontakt

Univ.-Prof. Dr. Philipp Jost
Klinische Abteilung fĂŒr Onkologie
UniversitĂ€tsklinik fĂŒr Innere Medizin
Medizinische UniversitÀt Graz
Tel.: +43 316 385-13900
philipp.jost@medunigraz.at