Wer die Glocke lÀuten darf, hat es geschafft

Pressemitteilung

Das laute LĂ€uten einer Glocke klingt durch die Kinderkrebsstation, es schallt durch den Gang und ist bis ins letzte Zimmer hinein zu hören. Dann setzt tosender Applaus ein: Kinder, Eltern, PflegekrĂ€fte, Ärzt*innen, Psycholog*innen, LogopĂ€d*innen, Physiotherapeut*innen, ElementarpĂ€dagog*innen und ReinigungskrĂ€fte haben sich versammelt und stehen jetzt Spalier. Das LĂ€uten der Glocke ist ein ganz besonderes Ritual. Es bedeutet, dass ein Kind seine intensive Chemotherapie geschafft hat. Am Uniklinikum Graz erklang sie heute zum zehnten Mal – diesmal fĂŒr Liam.

Der kleine Bad Waltersdorfer hat seine Chemotherapie hinter sich, die ambulante, sogenannte Erhaltungstherapie allerdings noch vor sich. „Die Glocke zu lĂ€uten bedeutet nicht, dass ein Kind ein- fĂŒr allemal geheilt ist. Es ist aber das Signal fĂŒr einen riesigen Etappensieg“, erzĂ€hlt Nadine Hafner, Stationsleiterin auf der Klinischen Abteilung fĂŒr PĂ€diatrische HĂ€mato-Onkologie. Liam war 19 Monate alt, als er seine Diagnose erhielt. „Es war zwei Tage vor Weihnachten“, erinnert sich seine Mutter Barbara. Schon am nĂ€chsten Tag wurde am Uniklinikum Graz mit der Behandlung seiner Akuten lymphatischen LeukĂ€mie begonnen. „Es ist eine Form, die schwer weggeht, aber auch eher selten wiederkommt“, erzĂ€hlt sie. Viel, viel Hoffnung liegt in ihrer Stimme. Liam hat keine Krebszellen mehr im Blut. Er darf jetzt nach Hause und hat sich, wie alle Kinder vor ihm, auf das Ritual des Glocke-LĂ€utens sehr gefreut.

Signal fĂŒr einen großen Etappensieg

„Es kommen immer alle, die nur irgendwie die Zeit dafĂŒr finden“, erzĂ€hlt Hafner. Sie und ihre Kolleg*innen haben sich schon fĂŒr eine Glocke auf der Station stark gemacht, lange bevor sie Ende letzten Jahres dann tatsĂ€chlich montiert wurde. Alle kamen auch heute, als der kleine Liam im Mittelpunkt des Geschehens stand. „Vom LĂ€uten der Glocke am Therapieende sind wir immer alle sehr berĂŒhrt“, sagt auch Martin Benesch, der Leiter der Klinischen Abteilung fĂŒr PĂ€diatrische HĂ€mato-Onkologie. Am Ende der Chemotherapie setzt sie ein klangvolles Abschlusszeichen. Sie feiert, was alles geschafft wurde und dass fĂŒr die ganze Familie jetzt bessere Zeiten mit mehr NormalitĂ€t anbrechen.
Das LĂ€uten der Glocke, das immer einen Höhepunkt fĂŒr alle auf der Station darstellt, ist ein Ritual, das nie ohne große GefĂŒhle abgeht. Da Liam erst zwei Jahre alt ist, hat ihn heute sein großer Bruder Marvin unterstĂŒtzt. Auch die große Schwester Elina, Mama Barbara, Papa Josef und viele, viele andere, die ihn durch das letzte halbe Jahr begleitet haben, waren dabei. Bei diesem Ritual fließen TrĂ€nen, da umarmen VĂ€ter Ärzte und umgekehrt und da werden Worte gesprochen, die wĂŒrdigen, was jedem einzelnen in der Familie abverlangt wurde.

Ein Ritual fĂŒr die ganze Familie

Gut sichtbar hĂ€ngt die Glocke mit der bunten Schnur im Gang der Kinderkrebsstation, hoch genug, dass kein Kind rein zum Spaß dran ziehen kann. Mit dem Glockenritual ist ein wĂŒrdiger Rahmen gefunden, um die Familie, aber ganz besonders das Kind, spĂŒren zu lassen, dass es ein kleiner Held, eine kleine Heldin ist. Auch Liam ist ergriffen. Die Glocke bereichert die Rituale an der Kinderkrebsstation sehr. Urkunde, Tapferkeitsmedaille, hölzerne Maus und Pokal sind gut, die Glocke schlĂ€gt sie aber bei Weitem.

„Es ist schon vorgekommen, dass auch ein Papa die Glocke lĂ€uten durfte, erzĂ€hlt Nadine Hafner. „Weil er so unvorstellbar viel geleistet hat.“ Die ganze Familie eines erkrankten Kindes leistet Unfassbares, auch die Geschwister, die nicht so im Mittelpunkt stehen, deren Mutter oder Vater oft nicht daheim sind und die auch oft mit ihren Ängsten fertigwerden mĂŒssen. „Das LĂ€uten der Glocke gibt auch ihnen Mut“.

In Graz wird das LĂ€uten der Glocke nicht mit Bedeutung ĂŒberfrachtet. Es bedeutet nicht, dass der Krebs sicher nie mehr wiederkommt und ein- fĂŒr allemal „besiegt“ ist. Es bedeutet das Ende der sehr intensiven Chemotherapie, es bedeutet, jetzt nach Hause zu dĂŒrfen. So kommt auch fĂŒr jedes Kind der große Moment, an dem es – unter Applaus – an der Schnur die Glocke lĂ€uten darf.

Vom Irish Pub auf die Onkologie

In vielen KrankenhĂ€usern ĂŒberall auf der Welt wurden auf Kinderkrebsstationen in den letzten Jahren Glocken montiert. „Wir wollten dieses Ritual auch bei uns“, erzĂ€hlt Hafner. Durch einen Zufall war es dann 2023 soweit: Eine Psychologin in Ausbildung zur Klinischen Psychologin, die auf der Station ihr Praktikum machte, ĂŒbergab die Glocke als Abschiedsgeschenk und stimmte damit die letzten Skeptiker*innen um. Die Glocke stammt ĂŒbrigens aus dem Interieur eines kleinen Grazer Irish Pubs.

Große GefĂŒhle fĂŒr kleine Held*innen

Liam mit seinen zwei Jahren ist nicht das jĂŒngste Kind, das losbimmeln darf. Das Ritual macht in jedem Alter Sinn, weiß die Psychologin Karin HĂŒller. Sie hat auf der Station noch kein Kind erlebt, das sich nicht fĂŒr die Glocke interessiert hĂ€tte, auch wenn der Rummel dann doch auch ganz schĂŒchtern machen kann. Jedes Kind lĂ€utet die Glocke anders. Bei den Allerkleinsten ĂŒbernehmen die Eltern das LĂ€uten. „Besonders emotional ist es, wenn Kinder sehr lange Zeit auf der Station verbracht haben. Geklatscht haben wir da am Ende der Therapie schon immer“, erzĂ€hlt HĂŒller. Das LĂ€uten der Glocke hebt die GefĂŒhle jetzt aber noch ein großes StĂŒck höher.

Die Tradition des Glocke-LĂ€utens

Seit 2023 erklingt sie regelmĂ€ĂŸig auf der Station der PĂ€diatrischen HĂ€mato-onkologie des Uniklinikum Graz: die Stationsglocke. Wer sie lĂ€uten darf, hat seine Chemotherapie geschafft. Das Erklingen der Glocke ehrt die Kinder, die jetzt nach Hause dĂŒrfen, sie gibt aber auch jenen Mut und Kraft, die neu hinzukommen oder noch einige Zeit auf der Station verbringen mĂŒssen.
Ihren Ursprung hat die Idee in Amerika. Dort hat vor mehr als 20 Jahren ein ehemaliges Marinemitglied zum Abschluss seiner Krebstherapie eine Glocke mit ins Krankenhaus gebracht. In der Marine ist es Tradition, zu besonderen AnlĂ€ssen eine Glocke zu lĂ€uten und genau das wollte er am Therapieende auch tun. Er spendete diese Glocke – und die schöne Idee des Glocke-LĂ€utens war geboren.

Kontakt

Pressestelle des LKH-Univ. Klinikum Graz
Mag. Simone Pfandl-Pichler
Auenbruggerplatz 1, 8036 Graz

Telefon: +43 316 385-87791
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