Neue Herzklappenlösung fĂŒr Erwachsene mit angeborenem Herzfehler

Pressemitteilung

Ab sofort steht am Uniklinikum Graz speziell fĂŒr voroperierte Patient*innen mit angeborenen Herzfehlern ein neues Herzklappenmodell zur VerfĂŒgung: Die Implantation erfolgt schonend mittels Katheter. Zuvor wird gezielt Herzgewebe verödet (Ablation), um spĂ€teren Herzrhythmusstörungen vorzubeugen. Die Kombination von Ablation und Implantation in einem einzigen Aufenthalt wurde von den Expert*innen der Klinischen Abteilung fĂŒr PĂ€diatrische Kardiologie vor wenigen Wochen zum ersten Mal durchgefĂŒhrt. Die 21-jĂ€hrige Patientin mit angeborenem Herzfehler ist seither beschwerdefrei.

In Österreich kommen jedes Jahr rund 700 Kinder mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt – das betrifft etwa eines von 100 Neugeborenen. Dank medizinischer Fortschritte im Bereich der pĂ€diatrischen Herzchirurgie erreichen heute rund 95 Prozent von ihnen das Erwachsenenalter und auch Kinder mit komplexen angeborenen Herzfehlern können nach erfolgreicher Behandlung in den meisten FĂ€llen ein ganz normales Leben fĂŒhren.

Gernot Grangl, Ante Burmas, Stefan Kurath-Koller und Patientin Kiara stehen auf der Terrasse des Kinderzentrums
v. li.: FOA Dr. Gernot Grangl, Leiter des PĂ€diatrischen Herzkatheter-Labors, Oberarzt Dr. Ante Burmas und Ass.-Prof. DDr. Stefan Kurath-Koller, Spezialist fĂŒr pĂ€diatrische Rhythmologie, mit der 21-jĂ€hrigen Patientin Kiara Wonisch | ©LKH-Univ. Klinikum Graz / Kurt Remling

Viele Herausforderungen bei angeborenen Herzfehlern

Doch erfolgreich „repariert“ bedeutet bei angeborenen Herzfehlern in aller Regel nicht dauerhaft „geheilt“. ErfahrungsgemĂ€ĂŸ werden bei Betroffenen im Laufe des Lebens weitere Therapien notwendig. So auch bei der heute 21-jĂ€hrigen Kiara. Die junge MĂŒrztalerin wurde 2003 mit einem Herzfehler geboren, der aus vier Fehlbildungen besteht, darunter ein großes Loch im Herzen und eine Engstelle in der Lungenschlagader, Fallot’sche Tetralogie lautet der Fachbegriff dafĂŒr. Im Alter von sieben Monaten wurde Kiara am Uniklinikum Graz erfolgreich operiert, dabei wurde das Loch in ihrem Herzen chirurgisch verschlossen und die Engstelle (Stenose) in der Lungenschlagader mittels Flicken (Patch) erweitert.

Sehr lange Zeit war sie völlig beschwerdefrei: Bei den Laufrunden im Turnunterricht schaffte sie locker mehr Runden als so manche ihrer MitschĂŒler*innen. ZusĂ€tzlich begann sie mit Workouts, die ihr großen Spaß machten. Im letzten Jahr vor der Matura wurde es aber deutlich mĂŒhsamer zu laufen. Sogar einfaches Bergaufgehen wurde zum Problem. Schleichend reduzierte sich Kiaras Belastbarkeit, bis sie schon nach fĂŒnf Minuten körperlicher Anstrengung fast keine Luft mehr bekam.

Korrigierte Engstellen können spÀter undicht werden

Bei Kiara war eingetreten, was nach der Korrektur von angeborenen Herzfehlern ein mögliches Risiko im Verlauf darstellt: Die Lungenklappe (Pulmonalklappe), die den Blutzufluss des sauerstoffarmen Blutes von der rechten Herzkammer in die Lungenschlagader reguliert, war allmĂ€hlich undicht geworden. „Meine Herzklappe hat zu viel Blut wieder zurĂŒck gelassen“, erzĂ€hlt Kiara. „Arbeitet dieses Ventil nicht richtig, belastet das die rechte Herzkammer. Abgesehen davon, dass sich dadurch die Belastbarkeit und LebensqualitĂ€t der Betroffenen massiv verschlechtern, kann das auch auf Dauer lebensbedrohlich werden“, erklĂ€rt ihr behandelnder Arzt, der Leiter des Herzkatheter-Labors an der Klinischen Abteilung fĂŒr PĂ€diatrische Kardiologie an der UniversitĂ€tsklinik fĂŒr Kinder- und Jugendheilkunde, Dr. Gernot Grangl. „Meinen Eltern war von Anfang an gesagt worden, dass es irgendwann wieder zu Problemen kommen kann, aber niemand genau vorhersagen kann, wann das eintritt“, berichtet Kiara. Nach ihrer Matura war klar: An einem Herzklappenersatz fĂŒhrte kein Weg mehr vorbei.

Kombination von Ablation und Klappenersatz – eine Premiere in Graz

In einem zweistĂŒndigen minimalinvasiven Eingriff wurde ihre defekte Herzklappe ĂŒber einen Katheter, der durch die Leiste eingefĂŒhrt wurde, durch eine neue ersetzt – so schonend wie möglich. Der Eingriff verlief problemlos: Die neue, selbstexpandierende Herzklappe, die erst seit 2022 in Europa zugelassen ist, wurde prĂ€zise platziert und funktionierte sofort einwandfrei.

Bevor die Herzklappe eingesetzt wurde, fĂŒhrten die Ärzt*innen vorsorglich eine Ablation des Herzens durch. „Eine Ablation ist eine gezielte Verödung von Herzgewebe, das potenziell Herzrhythmusstörungen verursachen könnte“, erklĂ€rt Ass.-Prof. DDr. Stefan Kurath-Koller, Leiter der Ambulanz fĂŒr pĂ€diatrische Rhythmologie und Mitglied des spezialisierten Ärzte-Teams, das Kiara betreut. Auf Basis einer „elektrischen Landkarte“ von Kiaras Herzen, die punktgenau elektrophysiologisch aktives Gewebe im Bereich der neu einzusetzenden Herzklappe identifizierte, wurde gezielt verödet. „Das Drahtgeflecht des neuen Herzklappenmodells liegt teilweise auf dem Herzmuskel der rechten Herzkammer auf. Dadurch könnten Herzrhythmusstörungen entstehen“, erlĂ€utert Kurath-Koller, der seit 1. Februar 2025 an der Med Uni Graz die erste spezielle Professur fĂŒr PĂ€diatrische Rhythmologie im deutschsprachigen Raum innehat.

Die kĂŒnstliche Herzklappe
Der Herzklappenersatz VenusP-Valveℱ wurde fĂŒr Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler bzw. voroperierte Herzen entwickelt. | ©VenusMedTech

Komplexeste Versorgung aller Patient*innen mit angeborenem Herzfehler

„Dank des UniversitĂ€ren Herzzentrums am Uniklinikum Graz können wir die komplexeste Versorgung aller Patient*innen mit angeborenem Herzfehler anbieten und entscheiden gemeinsam, wer interventionell, chirurgisch und/oder elektrophysiologisch von einem Eingriff profitiert“, freut sich Univ.-Prof. Dr. Hannes Sallmon, Leiter der Klinischen Abteilung fĂŒr PĂ€diatrische Kardiologie. „In Deutschland wurde diese Herzklappe bisher etwa 60 Mal eingesetzt – ohne vorherige Ablation – in Frankreich – inklusive prĂ€ventiver Ablation – rund 70 Mal“, ergĂ€nzt Grangl. „In Österreich sind wir die Ersten, die dieses Verfahren im Rahmen der Behandlung einer erwachsenen Patientin mit angeborenem Herzfehler umgesetzt haben.“

Langfristige Risikominimierung durch minimalinvasiven Klappenersatz

Grangl erlĂ€utert, warum der schonende Klappenersatz so wichtig ist: „Auch bei erfolgreich operierten angeborenen Herzfehlern kommt es im Laufe der Jahre fast immer zu Klappenundichtigkeiten – das ist ein zu erwartender Verlauf. Bisher ist man davon ausgegangen, dass Patient*innen mit angeborenen Herzfehlern etwa alle zehn Jahre eine offene Herzoperation benötigen, um die Klappen zu ersetzen. Jetzt kann dieser Eingriff minimalinvasiv auch bei weiten Klappen mit hochgradiger Undichtigkeit ohne Engstellen durchgefĂŒhrt werden, wodurch die Gesamtbelastung und die Risiken fĂŒr die Betroffenen enorm reduziert werden.“

„SelbstverstĂ€ndlich macht es einen Unterschied, ob man lediglich eine Nadel in ein BlutgefĂ€ĂŸ einfĂŒhrt oder ob der gesamte Brustkorb geöffnet werden muss“, fasst Sallmon zusammen. „Bei jeder chirurgischen Operation entstehen Verwachsungen am Herzen, wodurch das Risiko bei spĂ€teren Eingriffen steigt. Mit der schonenden Methode können wir diese risikosteigernden Schritte nach oben vermeiden! Und wenn ein solcher Eingriff durchschnittlich alle zehn Jahre erforderlich ist, bedeutet diese neue Methode einen unschĂ€tzbaren Nutzen fĂŒr unsere Patient*innen.“

Beruhigende Aussichten – auch fĂŒr die Eltern

Zwar wird diese Klappe nur bei einigen wenigen Patient*innen pro Jahr benötigt, doch fĂŒr die Betroffenen stellt sie einen bedeutenden Fortschritt dar. „Wir erwarten fĂŒr diese Patient*innen durch diese neuen Möglichkeiten eine normale Lebenserwartung und eine uneingeschrĂ€nkte LebensqualitĂ€t“, betont Gernot Grangl. „Auch fĂŒr die Eltern ist es beruhigend, wenn wir ihnen die Aussicht auf schonende Optionen fĂŒr möglicherweise spĂ€ter notwendige Therapien mit nach Hause geben können“, fĂŒgt Grangl hinzu.

Kiara hat jetzt voraussichtlich zehn Jahre Schonfrist, bis ihr Herz eventuell wieder einen therapeutischen Eingriff benötigt. Das ist lange genug, um richtig durchzuatmen und sich auf andere wichtige Dinge im Leben zu konzentrieren. „Mir geht es mit der neuen Herzklappe wirklich super! Ich habe ĂŒberhaupt keine Atemprobleme mehr, auch Bergaufgehen kann ich ohne ein einziges Mal stehen zu bleiben. Es klappt alles wirklich hervorragend!“, sagt sie – ein Satz, den Kiaras Ärzte gerne hören und der vielen anderen steirischen Patient*innen mit angeborenen Herzfehlern eine gute Perspektive bietet.

Spezialisierte Nachsorge fĂŒr Menschen mit angeborenem Herzfehler (EMAH)

Auch nach der erfolgreichen Korrektur eines angeborenen Herzfehlers können im spĂ€teren Leben gesundheitliche Probleme auftreten, die in Zusammenhang mit dem Herzen stehen. Um frĂŒhzeitig auf mögliche Risiken reagieren zu können, wird Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler dringend empfohlen, sich lebenslang in spezialisierte Nachsorge zu begeben.

Am UniversitĂ€tsklinikum Graz gibt es seit ĂŒber 25 Jahren eine spezialisierte EMAH-Ambulanz. Dort werden Betroffene von einem interdisziplinĂ€ren Team umfassend betreut und beraten. Im Rahmen des UniversitĂ€ren Herzzentrums Graz arbeiten Kinderkardiolog*innen eng mit Erwachsenenkardiolog*innen und Herzchirurg*innen zusammen, um eine nahtlose und kontinuierliche Betreuung ĂŒber alle Lebensphasen hinweg anbieten zu können.

Presseanfragen

Pressestelle des LKH-Univ. Klinikum Graz
Mag. Simone Pfandl-Pichler
Auenbruggerplatz 1, 8036 Graz

Telefon: +43 316 385-87791
Fax: +43 316 385-16942

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