Neue Gentherapie Zolgensma

Pressemitteilung
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Für die seltene Muskelkrankheit SMA (Spinale Muskelatrophie) gibt es seit Kurzem eine neue Gentherapie, die nun erstmals in der Steiermark einem betroffenen Kind verabreicht wurde. Zolgensma® ist seit Mai 2020 in der EU zugelassen. In Österreich wurde erst ein Säugling damit behandelt. Am 1. September 2020 wurde das Medikament an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH-Univ. Klinikum Graz einem 18 Monate alten Jungen verabreicht. (02. September 2020)

(v. li.) Univ.-Prof. Dr. Barbara Plecko-Startinig, Dr. Mirjam Pocivalnik und der kleine Patient vor dem Start der Gentherapie │ ©Jürgen Fechter / LKH-Univ. Klinikum Graz

Bei der spinalen Muskelatrophie (SMA) handelt es sich um eine seltene, angeborene und fortschreitende Erkrankung der Nervenzellen im Rückenmark, die durch einen Gendefekt im sogenannten SMN1 Gen ausgelöst wird. Dadurch kommt es zu einem Abbau von Nervenzellen im Rückenmark, welche die Muskelkraft an Armen, Beinen und dem Rumpf steuern. Bei der schwersten Form, dem Typ 1 der SMA, kommt es bereits im Säuglingsalter zu einer zunehmenden Muskelschwäche, welche auch die Atemmuskulatur betrifft. Ohne Therapie überleben diese Kinder das zweite Lebensjahr in der Regel nicht. Beim kleinen Steirer wurde die Diagnose SMA im Juli 2019 im Alter von drei Monaten gestellt. Seither wurde er an der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz mit dem Medikament Spinraza® behandelt.

Frühe Behandlung wichtig für Erfolg

Behandelt wird der kleine Steirer von den Kinderneurologinnen OA Dr. Ursula Gruber-Sedlmayr und Univ.-Prof. Dr. Barbara Plecko-Startinig, Leiterin der Klinischen Abteilung für Allgemeine Pädiatrie. Beide sind Mitglieder der österreichischen Expertengruppe für neuromuskuläre Erkrankungen des Kindesalters und haben für den Patienten auch gemeinsam die Indikation zur Verabreichung von Zolgensma® gestellt. Für den Erfolg bei der Behandlung von SMA gilt: je früher Diagnose und Behandlung erfolgen, desto besser für den Patienten. Einmal verlorene Muskelfunktionen und damit verbundene Behinderungen kann auch das neue Medikament nicht rückgängig machen. Nach derzeitigen Erkenntnissen kann das Fortschreiten der Erkrankung aber gestoppt werden.

Einmalige Behandlung mittels Infusion

Vorbereitende Spülung│©Jürgen Fechter / LKH-Univ. Klinikum Graz

Die neue Gentherapie bekommt der Patient einmalig, wie Univ.-Prof. Dr. Barbara Plecko-Startinig erläutert: „Mittels einer Infusion über die Vene wird ein intaktes SMN1 Gen in den Körper des Patienten eingebracht. Das dauert zirka eine Stunde. Ein inaktivierter AAV-9 Virus dient dabei als ‚Transportmittel‘, welches das fehlende Gen in die Nervenzellen transportiert. Alle bisherigen Studien haben gezeigt, dass die Wirkung anhaltend ist. Der längste Beobachtungszeitraum beträgt derzeit sechs Jahre. Wesentlich für den Erfolg ist, dass die Diagnose und somit die Verabreichung des Medikaments möglichst früh erfolgen.“ Plecko-Startinig hofft deswegen, dass eine Untersuchung auf SMA bald Teil des österreichischen Neugeborenenscreening-Programmes sein wird. „Denn nur intakte Nervenzellen profitieren von der Therapie, bereits bestehende Schäden können nicht repariert werden. Außerdem darf der Patient nicht mehr als 21 kg Körpergewicht haben“, ergänzt Plecko-Startinig.

Das Medikament muss die sogenannte Blut-Hirn-Schranke überwinden, um zu den betroffenen Nervenzellen zu gelangen. Je jünger und leichter das Kind ist, desto besser gelingt das. Zudem ist die Gefahr einer Immunreaktion geringer, da eine geringere Dosis verabreicht werden muss. Wie jedes Medikament kann auch Zolgensma Nebenwirkungen hervorrufen. Die häufigsten sind eine Beeinträchtigung der Leberfunktion oder das Absinken der Blutplättchen, vermutlich im Sinne einer Immunreaktion des Körpers

Die Eltern des kleinen Patienten sind sehr froh, dass ihr Sohn diese neue Gentherapie erhalten hat. Seit mehr als einem Jahr arbeiten sie gemeinsam mit den betreuenden Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz eng zusammen, um für ihr Kind den bestmöglichen Behandlungserfolg zu erzielen. Wie gut der kleine Junge das Medikament verträgt und wie wirkungsvoll es ist, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen.

Spinale Muskelatrophie (SMA)

SMA ist die zweithäufigste genetische Muskelerkrankung. Sie betrifft etwa einen von 10.000 Menschen. In Österreich kommen pro Jahr etwa 10 Kinder mit SMA zur Welt, davon leiden zwei Drittel an der schwersten Form dieser Erkrankung (SMA Typ 1). In der Steiermark wird pro Jahr durchschnittlich bei einem Kind SMA1 diagnostiziert. An der Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz werden aktuell zehn Kinder mit SMA betreut. Davon erhalten derzeit sieben das seit 2017 zugelassene und ebenfalls hocheffektive Medikament Spinraza®, das den Patienten jedoch lebenslang, in regelmäßigen Abständen als Injektion in den Rückenmarkskanal verabreicht werden muss. Dieses Medikament schaltet die Aktivität des SMN2 Gens hoch, arbeitet also an den bei jedem Menschen in unterschiedlicher Anzahl vorhandenen Genkopien des eigentlich defekten SMN1 Gens. Im Gegensatz dazu ersetzt die neue Gentherapie mit Zolgensma® bei einmaliger Gabe die Funktion des tatsächlich defekten Gens, sodass der Körper das für die motorischen Nervenzellen notwendige Protein selbst produzieren kann. Zolgensma ist seit Mai 2020 in der EU zugelassen. In Österreich wurde es erstmalig in Salzburg einem vier Monate alten Mädchen mit SMA verabreicht.

Zolgensma® und Spinraza® gehören zu den hochpreisigen „Orphan drugs“ – so werden Medikamente zur Behandlung seltener Erkrankungen bezeichnet. In der Steiermärkischen KAGes genehmigt der KAGes-Vorstand derartige Medikamente bzw. Therapie und das Unternehmen übernimmt auch die Kosten.

Kontakt

Pressestelle des LKH-Univ. Klinikum Graz
Mag. Simone Pfandl-Pichler
Auenbruggerplatz 1, 8036 Graz

Telefon: +43 316 385-87791
Fax: +43 316 385-16942

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