Ein „Piccolo“ fĂŒr die kleine Aglaia

Pressemitteilung
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Erstmals wurde an der Klinischen Abteilung fĂŒr PĂ€diatrische Kardiologie des LKH-Univ. Klinikum Graz bei einem nur 960 Gramm schweren FrĂŒhchen ein offener Ductus – eine angeborene Verbindung zwischen Hauptschlagader und Lungenschlagader – mittels Herzkatheter-Therapie verschlossen. Ein winziges „Schirmchen“, kleiner als erbsengroß, landete punktgenau im nur walnussgroßen Herzen des Babys. Möglich macht diese Millimeterarbeit unter anderem die exzellente Bildgebung einer neuen Angiographieanlage. Diese wurde erst im September in Betrieb genommen. Neue Therapieoptionen wie diese zeigen, dass baulich-technische Innovationen die Basis fĂŒr viele Fortschritte in der medizinischen Versorgung sind.

Sie heißt Aglaia, wog bei der Geburt 700 Gramm und das Atmen fiel ihr schwer. Ein offener Ductus hat das Leben des in der 26. Schwangerschaftswoche geborenen FrĂŒhchens gefĂ€hrdet: Bei einem offenem Ductus strömt zu viel Blut in die Lungenarterien, wodurch zu viel Blut die LungengefĂ€ĂŸe erreicht. Unter dieser „ÜberwĂ€sserung“ leidet der Gasaustausch. ZusĂ€tzlich steigt der Blutdruck in der Lunge, was die BlutgefĂ€ĂŸe der Lunge schĂ€digen kann. „FĂŒr die optimale Entwicklung der FrĂŒhgeborenen ist das keine gute Basis. FrĂŒhchen mit bedeutsamem offenem Ductus atmen angestrengter bis zur Beatmungsnotwendigkeit, haben Schwankungen der SauerstoffsĂ€ttigung im Blut, das reicht bis zur HerzschwĂ€che mit Problemen beim Trinken und schlechter Gewichtszunahme“, erklĂ€rt FOA Dr. Gernot Grangl, Leiter des Herzkatheter-Labors der Klinischen Abteilung fĂŒr PĂ€diatrische Kardiologie der Univ.-Klinik fĂŒr Kinder- und Jugendheilkunde. Das Labor ist ein Teilbereich der von Univ.-Prof. Dr. Hannes Sallmon geleiteten Klinischen Abteilung fĂŒr PĂ€diatrische Kardiologie am Uniklinikum Graz.

Um dem Kind die besten Chancen auf ein Überleben zu geben, hat Grangl den offenen Ductus arteriosus – genau: persistierenden Ductus arteriosus (PDA) – der Kleinen vier Wochen nach ihrer Geburt mit einem winzigen sogenannten „Piccolo“-Schirmchen verschlossen. Minimalinvasiv fĂŒhrte der auf Kinder spezialisierte Kardiologe den schmalen Katheter ĂŒber eine Leistenvene bis zum kleinen Herzen vor, wo sich das Schirmchen im Ductus entfaltet und so seither die offene Verbindung verschließt.

Was ist ein Persistierender Ductus arteriosus (PDA)?

Der persistierende Ductus arteriosus zĂ€hlt zu den angeborenen Herzfehlern. Besonders hĂ€ufig davon betroffen sind FrĂŒhchen: Bei bis zu 70 Prozent aller FrĂŒhgeborenen unter 28 Schwangerschaftswochen wird ein PDA diagnostiziert. Bei grĂ¶ĂŸeren SĂ€uglingen wird der PDA in der Regel ĂŒber einen Herzkatheter mit einem Schirmchensystem verschlossen, bei FrĂŒhchen mit weniger als 1 Kilogramm Körpergewicht ist das erst seit kurzer Zeit möglich.

Noch vor einigen Wochen hĂ€tten die Ärzt*innen den Eingriff bei einem FrĂŒhchen mit einem Gewicht von unter einem Kilogramm nicht vorgenommen. Trotz der Risiken hĂ€tte man zuwarten oder aber offen operieren mĂŒssen. „Der Ductus-Verschluss an sich ist zwar eine relativ hĂ€ufige und technisch ĂŒberschaubare Intervention, aber es ist echte Millimeterarbeit“, erzĂ€hlt Grangl. „Je kleiner das Kind und je grĂ¶ĂŸer der Ductus, umso schwieriger wird der Eingriff grundsĂ€tzlich.“

Neue High-End-Angiographieanlage

Bei sehr kleinen FrĂŒhgeborenen hat man bislang meist einen chirurgischen Verschluss durchgefĂŒhrt: Über einen Schnitt zwischen den Rippen setzten Chirurg oder Chirurgin einen Metallclip auf oder ein BĂ€ndchen um den Ductus, um ihn zu schließen. Dass bei Aglaia der Eingriff so frĂŒh und minimalinvasiv erfolgen konnte, war auch aufgrund einer neuen Angiographieanlage mit erstklassiger Bildgebung möglich. Das Herzkatheter-Labor der Klinischen Abteilung fĂŒr PĂ€diatrische Kardiologie am Uniklinikum Graz wurde – ein GlĂŒcksfall fĂŒr Aglaia – erst kĂŒrzlich damit ausgestattet. „Dadurch haben wir dem Kind einen operativen Eingriff ersparen können.“

Neuartige Bildfusion

„Im Zuge der Erneuerung des Herzkatheter-Labors haben wir uns in puncto Bildgebung fĂŒr die neueste verfĂŒgbare Technologie entschieden“, erzĂ€hlt Dr. Gernot Grangl, der pro Jahr 150 Kinder aller Altersgruppen, vom FrĂŒhchen bis zum VolljĂ€hrigen, behandelt. Es ist eine Zwei-Ebenen-Angiographieanlage, die gleichzeitig aus zwei verschiedenen Richtungen Bilder des Herzens aufnehmen kann. Die Anlage ist auch in der Lage, Bildinformationen aus unterschiedlichen Bildquellen miteinander zu verschmelzen und gemeinsam darzustellen. „Diese Bildfusion ist bei der Behandlung struktureller Herzkrankheiten eine große Erleichterung“, erklĂ€rt Grangl.

Zudem ist bei Kindern besonders darauf zu achten, die Belastung durch Kontrastmittel und Röntgenstrahlen möglichst gering zu halten. Auch das leistet die neue Angiographieanlage: Sie liefert Bilder in Top-QualitĂ€t und ist dennoch strahlungsĂ€rmer als ihre VorgĂ€nger. „Das macht die Untersuchung selbst fĂŒr die Allerkleinsten schonender und hilft ihnen dabei, dass sie schnell wieder ganz fit sind“.

Die kleine Ilvy auf dem Arm ihrer Mama | ©LKH-Univ. Klinikum Graz / Kurt Remling

Technologie-Innovation fĂŒr neue Therapieoptionen

Von der neuen Anlage profitieren laut Grangl kĂŒnftig auch Patient*innen wie die kleine Ilvy (im Bild), die mit einer Pulmonalklappenstenose zur Welt kam. Dieser angeborene Herzfehler machte eine interventionelle Pulmonalklappen-Sprengung notwendig. „Das ist eine hĂ€ufige Behandlung, die wir jetzt auch schon bei Neugeborenen und FrĂŒhgeborenen ab 1,5 kg Körpergewicht – so wie bei Ilvy – durchfĂŒhren können“, so Grangl. Sollte bei Ilvy spĂ€ter einmal ein Herzklappenersatz notwendig werden, lĂ€sst sich das ebenfalls mittels Herzkatheter-Eingriff durchfĂŒhren.

Dr. Karlheinz KornhĂ€usl, Landesrat fĂŒr Gesundheit, Pflege und Sport und der Kinderkardiologe Dr. Gernot Grangl | ©LKH-Univ. Klinikum Graz / Laura Schaffelhofer

Die Investition in die neue Angiographieanlage zeigt beispielhaft, wie viele neue Therapieoptionen allein durch eine einzelne technische Innovation möglich werden. „Heutzutage können viele Probleme bei angeborenen Herzfehlern bereits im Herzkatheter-Labor behandelt werden – das weiß ich auch als Kardiologe, der selbst an der Kinderklinik gearbeitet hat“, erklĂ€rt Dr. Karlheinz KornhĂ€usl, Landesrat fĂŒr Gesundheit, Pflege und Sport, bei der Besichtigung der neuen Anlage. „Umso mehr freut es mich, dass erneuerte Herzkatheter-Labor an der PĂ€diatrischen Kardiologie des Uniklinikum Graz in Betrieb gegangen ist“.

Was ist eine Pulmonalklappenstenose?

Die Pulmonalklappenstenose nimmt einen Anteil von 10 Prozent aller angeborenen Herzfehler ein. Der Defekt ist eine Verengung (Stenose) der Lungenschlagader-klappe, die das Herz mit dem Lungenkreislauf verbindet. Durch die Verengung gelangt nicht genĂŒgend sauerstoffarmes Blut vom Herzen zum „Sauerstofftanken“ in die Lunge. Die Methode der Wahl bei angeborenen Pulmonalstenosen ist die Aufweitung der verengten Klappe (Stenose) mit einem Ballonkatheter. Mittels Herzkatheter wird ein kleiner Ballonkatheter in Höhe der Stenose platziert und mit einer Kontrastmittelmischung aufgeblasen („Sprengung“). Nach einem erfolgreichen Eingriff bildet sich der durch die Stenose verĂ€nderte Herzmuskel wieder in seinen normalen Zustand zurĂŒck.

Spitzenmedizin fĂŒr Kinder unter einem Dach

Viel Vorfreude löst auch der fĂŒr 2029 geplante Neubau eines Kinderzentrums an Uniklinikum Graz aus. Im Rahmen des Bauprogramms „LKH 2040“ wurde der Weg fĂŒr ein neues Kinderzentrum gebahnt. Ein lang gehegter Wunsch, weil gerade die Versorgung der Kinder und Jugendlichen am Kinderzentrum schon heute immer wieder an ihre KapazitĂ€tsgrenzen stĂ¶ĂŸt.

Die Inbetriebnahme ist fĂŒr 2038 vorgesehen. „Mir ist klar, wie wichtig die Entscheidung zum Neubau fĂŒr die Mitarbeiter*innen sowie die kleinen Patient*innen ist. Auch weil Krankenhausbauten viel Vorlaufzeit benötigen und es noch dauert, bis das neue Kinderzentrum in Betrieb gehen kann, war es wichtig, jetzt zu handeln. Dieser Anfang ist gemacht“, erklĂ€rt Karlheinz KornhĂ€usl.

Dr. Gernot Grangl, Leiter des PĂ€diatrischen Herzkatheter-Labors (zweiter von rechts) und Team vor der neuen Angiographieanlage auf der Klinischen Abteilung fĂŒr PĂ€diatrische Kardiologie des Uniklinikum Graz. Im Mittelpunkt: die kleine Ilvy mit ihren Eltern | ©LKH-Univ. Klinikum Graz / Kurt Remling
Neubau Kinderzentrum

LKH 2040: Neubau eines Kinderzentrums
Geplant ist der Bau eines Kinderzentrums mit 65.000 Quadratmetern, das den Kliniken fĂŒr Kinder- und Jugendheilkunde sowie Kinder- und Jugendchirurgie eine gemeinsame Heimat bietet. Ziel ist es, den akuten Platzmangel zu beheben und Synergien in der Versorgung zu nutzen. Baukosten: ca. 450 Millionen Euro (Preisbasis 2023). Geplanter Baubeginn 2029, Fertigstellung ab 2038.

Presseanfragen

Pressestelle des LKH-Univ. Klinikum Graz
Mag. Simone Pfandl-Pichler
Auenbruggerplatz 1, 8036 Graz

Telefon: +43 316 385-87791
Fax: +43 316 385-16942

simone.pichler@uniklinikum.kages.at

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